Lunchbreak mit Dr. Johannes Kaiser zum Thema „Karrierewege jenseits der Universität: Vom Projektleiter bei Ipsos zum Referenten im Bundesamt“
Johannes Kaiser hat den Schritt aus der Wissenschaft gewagt und berichtet in der Napoko Lunchbreak offen über seine Beweggründe, Erfahrungen und Herausforderungen auf dem Weg in außerakademische Berufsfelder. Mit Stationen bei Ipsos und heute als wissenschaftlicher Referent im Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zeigte er exemplarisch auf, wie Sozialwissenschaftler:innen jenseits der Hochschule Fuß fassen können und wie hilfreich strategische Vorbereitung, Offenheit und ein bisschen Mut dabei sind.
In einem Q&A-Teil beantwortete Johannes viele Fragen der NapoKo-Community. Hier sind seine Antworten im Überblick:
Welche Kompetenzen aus dem PhD haben dir geholfen und was hättest du dir zusätzlich gewünscht?
Vor allem eine generelle Offenheit und Flexibilität haben mir geholfen, den Wechsel zu meistern. Man sollte sich ein Stück weit davon lösen, an bestimmte Tätigkeiten oder Denkweisen aus der Wissenschaft zwanghaft festzuhalten. Entsprechend sehe ich hier auch weniger einen klar benennbaren „hard skill“, der für mich beim Übergang wichtig war, sondern viel mehr das mindset, sich immer wieder auf Neues einlassen zu wollen. Wer bereits im PhD weiß, wohin es anschließend gehen soll, kann natürlich gezielt Kompetenzen aufbauen etwa durch Weiterbildungen oder Kurse. Letztlich hängt das aber stark vom konkreten Arbeitsumfeld und der anvisierten Stelle ab.
Wie offen warst du in Bewerbungsgesprächen über deine Gründe, die Wissenschaft zu verlassen?
In vielen Gesprächen saßen mir Menschen gegenüber, die irgendwann mal selbst promoviert hatten und somit nachvollziehen konnten, warum man sich für den Ausstieg entscheidet. Die teils prekären Bedingungen in der Wissenschaft sind kein Geheimnis. Dennoch würde ich empfehlen, die eigene Motivation an der neuen Tätigkeit in Bewerbungsgesprächen deutlich zu artikulieren und nicht nur zurückzuschauen: Warum möchte man wirklich wechseln? Was sucht man stattdessen? Mir hat es geholfen, sich diese Fragen im Vorfeld bewusst zu beantworten.
Haben dir persönliche Kontakte bei der Jobsuche geholfen?
Ja, es hilft natürlich ungemein, diese gezielt aufzubauen, insbesondere bei der gezielten Ansprache von Entscheidungsträger:innen. Hier würde ich empfehlen, nicht nur bei HR, sondern direkt auf der Fachebene zu recherchieren: Wer leitet das Team? Wer trifft Entscheidungen? Menschen in leitenden Funktionen denken nach meiner Erfahrung oft aktiv über den Teamausbau nach. Eine Kontaktaufnahme kann daher nie schaden und wird selten negativ aufgenommen. Das gilt vor allem in der Privatwirtschaft.
Kam dein Job beim BASE durch Kontakte oder eine reguläre Ausschreibung zustande?
Es handelte sich um eine ganz normale öffentliche Ausschreibung. Ich hatte regelmäßig auf Plattformen wie service.bund.de nach passenden Stellen geschaut und bin schließlich auf ein paar relevante Positionen beworben. Meine Erfahrung: Wenn Stellen beim Bund öffentlich ausgeschrieben werden (und nicht nur intern), lohnt es sich, sich zu bewerben – auch mit wissenschaftlichem Hintergrund.
Was hat dich zunächst zu Ipsos und später zum BASE geführt?
Ich hatte mich bewusst für größere Institute wie Ipsos entschieden, da kleinere Markt- und Meinungsforschungsinstitute oft stark von einzelnen Kunden abhängig sind und weniger thematische Breite bieten. Bei Ipsos konnte ich in großen Projekten arbeiten, viele methodische Fähigkeiten vertiefen und internationale Expertise nutzen. Meine Rolle bei Ipsos beinhaltete neben der Projektleitung auch die Auftragsakquise, was mir zusätzlichen Einblick in strategische Fragen ermöglichte.
Mein Wechsel zum BASE war dann bewusst gewählt: Ich wollte die Seite wechseln: Vom Auftragnehmer zum Auftraggeber. Als Referent im BASE schreibe ich heute selbst Forschungsprojekte aus, betreue Studien im Feld der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle („Endlagerung“) und habe Raum für eigene Forschung und Publikationen. Ein Highlight: die Mitarbeit an einer mehrwelligen Bevölkerungsbefragung mit der Möglichkeit wissenschaftlicher Vertiefung.
Wann war für dich klar, dass du die Wissenschaft verlassen willst?
Die endgültige Entscheidung fiel schrittweise. Ich nutzte eine Forschungsförderung im Ausland gezielt als Übergangsphase, um Erfahrungen zu sammeln und mich mit der Frage auseinanderzusetzen: „Will ich zurück und wenn ja, wie?“ Diese bewusst verlängerte Entscheidungszeit half mir, den richtigen Zeitpunkt selbstbestimmt zu finden, statt irgendwann ohne Anschlussoption dazustehen.
Letzter Gedanke, den du und noch mitgeben möchtest?
Besonders seit meiner Tätigkeit bei Ipsos habe ich verinnerlicht, wann sozialwissenschaftliche Daten tatsächlich repräsentativ sind und mit welchem Zusatzaufwand eine qualitativ hochwertige Datenerhebung einhergeht. Es spielt jedoch leider innerhalb der akademischen Forschung oft nur eine untergeordnete Rolle, auf Basis welcher Datenqualität statistische Befunde zu Stande kommen. In diesem Punkt sind die großen behördlichen Studien in Deutschland heute oft deutlich besser aufgestellt, auch wenn dafür die Kommunikation der Befunde häufiger auf einen deskriptiveren Level bleibt.
Unser Speaker: Dr. Johannes Kaiser ist wissenschaftlicher Referent im Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und betreut dort sozialwissenschaftliche Forschungsprojekte. Zuvor war er Projektleiter bei Ipsos im Bereich Politik- und Sozialforschung. Er promovierte am IKMZ an der Universität Zürich und bringt methodisches Know-how, strategisches Denken und ein feines Gespür für Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politikberatung mit.